Jahrestagung der psychologischen Beratungsstellen 2013

Neuere therapeutische Ansätze und Techniken

Zu anregenden Vorträgen und Workshops trafen sich 120 Beratungskräfte aus den evangelischen Beratungsstellen der EKiR für Erziehungs-, Partnerschafts-, Lebens- und Schwangerenberatung im MutterHaus Hotel in Düsseldorf-Kaiserswerth.

Das MutterHaus Hotel in Düsseldorf-Kaiserswerth

„Das Gehirn nimmt, was es kennt“ und „tut, was es kann“ so Dr. med. Eckhard Roediger, Leiter des Instituts für Schematherapie in Frankfurt am Main. Er zeigte auf, wie in der Kindheit frustrierte Grundbedürfnisse Menschen langfristig prägen. In der Schematherapie werden die dadurch entstandenen Anpassungsmechanismen, die später in Beziehungen hinderlich wirken, erkannt und verändert. Dr. Roediger arbeitet mit Einzelnen und Paaren. In Filmausschnitten zeigte er, wie Menschen z.B. lernen, auch einmal ihre verletzbare Seite zu zeigen anstatt sich gegenüber ihrem Partner übermäßig aggressiv zu verteidigen.

Innere Anteile wie „das verletzte Kind“ oder „der gesunde Erwachsene“ spielten in allen drei Hauptvorträgen eine Rolle.

Dr. Rudolf Sanders, Leiter der Katholischen Ehe- und Familenberatungsstelle Hagen und Iserlohn stellte sein Projekt „Partnerschule“ vor. An mehreren Abenden oder auch in längeren Seminaren treffen sich dort Gruppen von Paaren und arbeiten gemeinsam an ihren Themen. Dabei wird nicht nur gesprochen, sondern es werden auch Tonfiguren geformt, „Stand-Übungen“ gemacht oder „Schwertkampf“ ausprobiert. Dr. Sanders betonte, dass es den Paaren viel bedeute, die anderen Paare in der Gruppe zu erleben, auch mit Anteilen von gemeinsamer freier Zeit, in der alle ihre Talente einbringen können.

Diplom-Psychologin Elfie Cronauer (Psychotherapeutin mit eigener Praxis in Mönchengladbach) berichtete über ihre Arbeit mit den „Ego-States“ ihrer Klienten. Sie beschrieb eindrücklich vielfältige Zugänge zu inneren Anteilen, die lernen sollen, besser zusammenzuarbeiten. So entstehen Wege, sich weniger selbst zu sabotieren, eigene Bedürfnisse zu erkennen und zu erfüllen und bessere Beziehungen zu erleben. Für manche Menschen ist das ein weiter Weg. Die Ego-State-Therapie sei dazu eine Methode, die Frau Cronauer als kreativ und „leicht“ im Umgang mit ernsten Themen erlebt.

Lebendige Workshops

Während der Vorträge im großen Saal

In fünf sehr positiv aufgenommenen Workshops, durchgeführt von Referentinnen und Referenten aus evangelischen Beratungsstellen, gab es vielfältige Anregungen für die Praxis:
Da ging es um die Nutzung von Geschichten, inneren Bildern und leichter Trance zur Aufarbeitung belastender Erfahrungen. In einer anderen Gruppe wurde Klopf-Akupressur praktisch ausprobiert. Behutsam angewandt kann es dabei Momente mit erstaunlicher Beruhigungswirkung bei aufgewühlten Ratsuchenden geben.
Nebenan wurde erarbeitet, wie Schreibabies und ihren Eltern noch besser zu helfen ist. Jedes fünfte Baby hat Schwierigkeiten, sich zu regulieren. Besonders das Schlafen ist über die normale Baby-Entwicklung hinaus häufig gestört. Dies kann Eltern zur Verzweiflung bringen – ein Teufelskreis. Eltern lernen u.a., Schlaf-, Fütter- oder Schrei-Protokolle zu führen, überhöhte eigene Ansprüche zu hinterfragen, das Kind in kleinen Schritten an altersgemäße Rhythmen zu gewöhnen oder nachwirkende Themen aus der eigenen Kinderzeit zu erkennen.

In der nächsten Gruppe wurde „EMDR“ (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) für Kinder und Jugendliche vorgestellt. Dabei wird das Gehirn durch Sinnesreize angeregt, intensiv beidseitig mitzuarbeiten, um problematische Erinnerungen neu bewältigen zu können. Einzelne Teilnehmerinnen stellten sich zur Verfügung. Sie erlebten die Augenbewegungen oder das Tippen in die Handflächen an kleinen lehrreichen Beispielen. Auch ein „Monster“ wurde kräftig mit dicken Wachsmalstrichen von links nach rechts und zurück immer wieder übermalt – eine weitere kindgerechte Anwendung, die dem Nervensystem hilft, schwierige Gefühle zu reduzieren.

In der fünften Gruppe informierten zwei Expertinnen über Online-Beratung. Dies ist für Jugendliche und Eltern ein niedrigschwelliger Zugang, der zunehmend an Bedeutung gewinnt. Berater/innen müssen in Mails und Chats einladend und prägnant reagieren. Sie präsentieren sich dabei einer viel größeren Öffentlichkeit als im Zimmer einer Beratungsstelle. Anschließend konnten sich die Teilnehmenden gegenseitig zu Übungsproblemen in einem extra eingerichteten echten Chatroom „beraten“. Die Bundeskonferenz für Erziehungsberatung hat schon länger ein solches Angebot, an dem einige evangelische Beratungsstellen mitwirken.

Was bleibt?

Nicht alles muss und kann völlig neu erfunden werden, aber manches Bewährte wird immer wieder interessant weiterentwickelt. Und es ist gut, einmal im Jahr gemeinsam zu lernen, sich auszutauschen und wieder zu erleben, welch hohe Fachkompetenz in den evangelischen Beratungsstellen vorhanden ist!