Der Rat der EKD stimmte 1981 den Leitlinien der Psychologischen Beratung zu, in denen es heißt: „Die Kirche sieht es als eine ihrer Aufgaben an, die Menschen auf ihrem Weg durchs Leben mit ihrer Hilfe zu begleiten.“ (1.1) Und weiter: „Der Auftrag der Kirche gilt dem Menschen in seiner Ganzheit und der Gestaltung menschlicher Gemeinschaft.“ (1.2) Im September 2002 stellte der Rat der EKD fest, dass es zu den vorrangigen kirchlichen Aufgaben zählt, unter den heutigen Bedingungen Vorsorge dafür zu treffen, dass Ehen und Familien in Konflikten Begleitung finden. Diese Grundhaltung der Evangelischen Kirche bezieht sich auf den ganzen Lebensweg des Menschen in seiner sozialen Vernetzung und legt besonderen Wert auf die Verantwortung für unsere Kinder. Professionelle psychologische Beratungsarbeit wird dabei von der Evangelischen Kirche als Teil des Seelsorgeauftrages verstanden.
Um eventuelle Schwellenängste abzubauen, sind evangelische Beratungsstellen schon seit Jahren vor Ort präsent. Sprechstunden in Schulen, Kindergärten, Gemeinden oder Stadtteilbüros sind keine Ausnahmen, sondern gelebter Arbeitsalltag. Initiierung von Selbsthilfegruppen, Fortbildungen und Supervision für Erzieher und Erzieherinnen gehören ebenso dazu wie die Vernetzung in lokalen Arbeitskreisen. Die Kooperation mit allen Beteiligten im System Jugendhilfe ist selbstverständlich. Diese Arbeit wirkt in hohem Maße präventiv. Die Familienzentren sind ein weiterer guter Ort, mit Menschen in Kontakt zu kommen, die den Weg in eine Beratungsstelle nicht so leicht finden würden.
All dies geschieht neben der sich immer mehr ausweitenden Beratungsarbeit in der Beratungsstelle selbst. Der geschützte Raum und die Anonymität, die eine Beratungsstelle bieten, haben einen sehr hohen Stellenwert gerade auch für Menschen, die z.B. in Familienzentren um Beratung nachfragen, aber einen Bedarf über 2-3 Kontakte hinaus haben. Dieser Schutzraum muss erhalten und bewahrt werden. Neben der Erziehungs-, Lebens-, Familien- und Eheberatung, Trennungs- und Scheidungsberatung und Mediation sei hier mit eingeschlossen, gibt es ein breites Angebot an Gruppen dort, wo es fachlich indiziert ist. Die stetig anwachsenden Anmeldungen zeigen, wie intensiv das Angebot der Beratungsstellen genutzt wird.
Dies und die Ausweitung der Arbeitsbereiche, nicht nur im Rahmen der Kooperation mit Familienzentren, wird begleitet von einer parallel dazu an vielen Stellen immer enger werdenden finanziellen Ausstattung der Beratungs- stellen, was zu einer nicht mehr zu überbrückenden Kluft führt. Diese Situation hat in Einzelfällen schon zu Schließungen und in vielen Fällen zur Reduzierung des Beratungsangebotes geführt.
Trotz allem beteiligen sich die evangelischen Familienberatungsstellen aus fachlichen Gründen in großem Umfang an den neuen Familienzentren. Erste Befragungen der Familienzentren zeigen eine hohe Zufriedenheit mit dem Engagement der Berater und Beraterinnen vor Ort. Aus unserer Sicht hat sich die frühzeitige Beteiligung der Beratungsstellen an der Planung der Familienzentren bewährt. Die Beratungsstellen bringen nicht nur ihre Kernkompetenzen der Beratung ein, sondern darüber hinaus ihr Wissen um Netzwerkarbeit, Prävention, Fortbildung und Supervision. Damit tragen sie nicht unerheblich zur Qualifizierung des gesamten Systems Familienzentrum bei! Dies geschieht ohne zusätzliche Refinanzierung.
Aus Sicht der Beratungsarbeit sollte die in der Startphase notwendige hohe Anzahl an Arbeitskreisen und Gremien in Zukunft auf ein notwendiges Maß zurückgeführt werden, da sie sehr viele Ressourcen bindet.
Die Freistellung der Leitungen der Familienzentren könnte zu einer hilfreichen Konzentration der Arbeit in weniger Händen führen und ist bei den zu leistenden Koordinierungs- und Vernetzungsarbeiten notwendig. Sollen die Chancen, die Familienzentren bieten, in vollem Umfang genutzt werden, müssen sie finanziell in größerem Umfang unterstützt werden als das bisher geschieht.
Die Beratungsstellen der Evangelischen Kirche im Rheinland beteiligen sich nicht nur an Familienzentren. Ein Ausbau der Prävention und Beratung im Bereich Schule und Junge Eltern wären aus fachlicher Sicht ebenso sinnvoll und notwendig. Wenn die Kapazitäten der Beratungsstellen schon in der Ver- gangenheit ausgelastet waren, und die Arbeit nur durch ein überdurchschnitt- liches Engagement der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aufrecht zu erhalten war, entsteht jetzt eine Situation, in der weitere Arbeit nur auf dem Hinter- grund abgesicherter, planbarer Finanzierung übernommen werden kann.
Qualifizierte Arbeit braucht ein Mindestmaß an finanzieller Ausstattung! Jede weitere, nicht finanzierte Ausweitung der Arbeit in den Familienzentren führt zu der Frage, was dann nicht mehr gemacht werden kann. Einschränkungen der Beratungsarbeit führen letztlich zu höheren Kosten und dies kann nicht im Interesse des Landes und der Kommunen sein und schon gar nicht im Interesse der Betroffenen.